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Der Agrarlandesrat und der Rechtsstaat

In Österreich, Kärntner Landespolitik on März 19, 2009 by carnica

Josef Martinz, Agrar-Landesrat und Vorsitzender der Kärntner Volkspartei, verhandelt mit dem BZÖ zur Bildung einer Koalition. Vor der Wahl, in die er mit dem Slogan „Besser wirtschaften für unser Kärnten“ gezogen war, hatte er selbstbewusst das Amt des Finanzreferenten als conditio sine qua non zur Wahl des neuen Landeshauptmannes für sich reklamiert. Nicht wenige haben Martinz deshalb gewählt. Allein: Die Orangen sagen Njet, was Martinz schulterzuckend zu Kenntnis nimmt. Nun würde er zumindest gerne erfahren, wie es um die Finanzen steht: Immerhin hat sich das BZÖ in den vergangenen drei Jahren (wohl nicht grundlos) geweigert, der Öffentlichkeit wie dem politischen Mitbewerber detailliert Einsicht in den Budgetvollzug zu geben. Die orangen Landes-Fürsten zieren sich noch: Als ob die Vorlage eines Rechnungsabschlusses ein politisches Zugeständnis wäre und keine volkswirtschaftliche, demokratische und rechtsstaatliche Selbstverständlichkeit.

Unterdessen entbietet Martinz dem präsumptiven Koalitionspartener heute via Presseaussendung eine „ideologische“ Morgengabe und lässt ohne  Not alle politische Seriosität  fahren. In Reaktion auf die Verurteilung Josef F.s erinnert Martinz an den unlängst bekannt gewordenen Fall eines jungen Vaters, der seinem Baby in einem entsetzlichen Anfall geistiger Umnachtung 23 Knochen gebrochen hat. Der Mann  wurde nach wohlbegründetem richterlichen Entschluss gegen Kaution einstweilig aus der Untersuchungshaft entlassen. Für Martinz „unverständlich“:

„Ist es wirklich so einfach, frei zu kommen, obwohl der Verdacht auf das schlimmste Verbrechen besteht, nämlich ein Kind misshandelt und ihm 23 Knochen gebrochen zu haben?“,

frägt er, um von den Richtern härteres Durchgreifen zu fordern. Ja es ist so einfach, aus der U-Haft (nicht aus dem regulären Strafvollzug) entlassen zu werden, wenn die Sachlage eindeutig, das Verfahren in Vorbereitung ist, keine Fluchtgefahr besteht und man keine Gefahr für die Öffentlichkeit darstellt. Ob letzteres der Fall ist, entscheiden Richter, nicht Agrarlandesrat Josef Martzinz.

Der das natürlich weiß: Als promovierter Volkswirt hat er zumindest eine rudimentärer Einführung in Rechtslehre absolviert. Höchstwahrscheinlich weiß das auch BZÖ-Chef  Uwe Scheuch, dessen vorangegangene Aussendung  der Agrarlandesrat praktisch eins zu eins übernommen hat.

BZÖ-Landesparteiobmann LHStv. Uwe Scheuch zeigte sich heute erschüttert über die Entlassung eines mutmaßlichen Prügel-Vaters aus der U-Haft gegen eine Kaution von 7.000 Euro. „Diese Entscheidung des Landesgerichts Klagenfurt ist völlig unverständlich. Es ist wirklich unfassbar, dass jemand, der massiv im Verdacht steht einem sieben Wochen alten Baby 23 Knochen gebrochen zu haben, so einfach auf freien Fuß gesetzt wird.“

Dieser populistische Kniefall eines christlich-sozialen Spitzenpolitikers vor dem (un)gesunden Volksempfinden zeigt einmal mehr wie morsch die moralische und intellektuelle Verfasstheit der so genannten anderen Parteien in Kärnten sind, deren anti-aufklärerische Inkompetenz, rechtsstaatliche Selbstverständlichkeiten (die nichts mit links oder rechts zu haben) zu verteidigen dem BZÖ die absolute Regierungsmehrheit beschert hat.   Damit wird jener politischen Indifferenz Vorschub geleistet, die die Schriftstellerin Eva Menasse (nach ebenso stringenter wie eloquenter Begründung) die „Kaputtverblödung des südlichsten Bundeslandes“ nennt, die Kärnten zum „demokratiepolitischen Schandfleck“ mache.

Eine Antwort to “Der Agrarlandesrat und der Rechtsstaat”

  1. Ah, endlich mal ein Update, *freu*. Zu Martinz: Beherrscht der nicht einmal die deutsche Sprache oder lebt er im Wolkenkuckucksheim und hat noch nie von den täglich sich ereignenden weit schlimmeren Verbrechen gehört?

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